Der Frauenberg und sein Kloster
Bischofsberg
Wie so häufig in der Barockstadt hat Bonifatius Anteil am Beginn der Geschichte um den Frauenberg. Der Bischof habe sich auf die Kuppe eines nahen Berges zurückgezogen, um der Unruhe und dem Lärm des Lagerlebens während der Arbeiten am Kloster Fulda 744 zu entkommen. Mit der Zeit errichtete er dort eine Holzkapelle. Ihm zu Ehren wurde die Kuppe „Bischofsberg“ genannt. Als das Holzkirchlein zu verfallen drohte, ließ Abt Ratgar sie durch eine steinerne Kirche ersetzen. Durch die Weihung 809 war die Kirche auf dem „Bischofsberg“ nach der Stiftskirche die erste konsekrierte Kirche im Fuldaer Land.
Die erste Fuldaer Pfarrkirche
Das Gotteshaus auf der Kuppe wurde schließlich zur ersten Fuldaer Pfarrkirche, neben der das erste „Kloster“ errichtet wurde, um die als Seelsorger tätigen Chorherren zu beherbergen. Für den Unterhalt erhielten sie Ländereien, sodass sich allmählich eine Propstei des Klosters Fulda entwickelte. Als gesonderte Wirtschaftseinheit verwaltet, hat die Propstei Frauenberg bis zur Säkularisation (1803) bestanden. Die Bevölkerung ließ die Propstei der Muttergottes weihen. Die sich mächtig ausbreitende Marienverehrung im Mittelalter überschattete schließlich das Andenken an Bonifatius und der Name „Bischofsberg“ geriet in Vergessenheit. Stattdessen ist in der Urkunde des 12. Jahrhunderts die Rede vom „Mons s. Mariae“ – dem Marienberg oder „Berg Unserer Lieben Frau“, aus dem im Volksmund „Frauenberg“ wurde.
Verlassener Berg
Im Laufe des 14. Jahrhunderts war der Frauenberg Opfer zahlreicher Unruhen, bei denen das Stift gestürmt und verwüstet wurde. Nach der Niederwerfung des letzten Aufstandes wurde der Frauenberg wieder gründlich instand gesetzt und mit Befestigungsanlagen zu einer Burg ausgebaut, deren Reste noch bis ins späte 18. Jahrhundert bestanden. Allerdings endete das Leben auf dem Berg vorläufig mit dem Bauernkrieg 1525, bei dem die Abtei, Stiftskirche und alle umliegenden Propsteien in Flammen aufgingen – spätestens dann sollen die im Kloster lebenden Benediktinermönche den Berg verlassen haben. Durch die Zeitläufe im 16. Jahrhundert war ein Wiederaufbau unmöglich, sodass der Berg Jahrzehnte lang öde und verlassen war.
Veränderungen brachte 1570 erst Abt Balthasar von Dermbach. Dessen Ziel war es, im Stift Ordnung und Ruhe sowie das katholische Bekenntnis wiederherzustellen. Dabei hat er sich auch des Frauenberges angenommen und die Kirche so weit instand gesetzt, dass der Gottesdienst abgehalten werden konnte. Sein Nachfolger, Fürstabt Friedrich von Schwalbach, beendete die Bauten auf dem Berg und wandte sich mit dem Stiftskapitel der innerkirchlichen Erneuerung zu.
Ankunft der Franziskaner
Um die Seelsorge auf breiter Grundlage zu intensivieren, ließ er noch andere Ordensleute an die Seite der Jesuitenpatres ins Stift rufen. Dass diese Ordensleute Franziskaner waren, war purer Zufall. Als die Brüder barfuß mitten im Winter ankamen, sollten sie in der Severikirche unterkommen. Dort waren sie jedoch nicht glücklich. Ihre Bitten an den Fürstabt, das leerstehende Kloster auf dem Frauenberg zu bewohnen, stießen aber auf taube Ohren. Erst mit dessen Tod wenig später, wurde ihnen der Frauenberg vom neuen Fürstabt Bernhard Schenk von Schweinsberg überlassen. Der Einzug der Franziskaner am 31. März 1623 legte somit den Grundstein des heutigen Klosters.
Die Überlassung des Frauenberges an die Franziskaner wurde am 30. Januar 1626 beurkundet. Dort heißt es, dass die Franziskaner auf dem Berg wohnen und in der Kirche ihre Gottesdienste abhalten dürfen, den Berg aber jederzeit den Benediktinern überlassen müssten und das Arrangement von Fürstabt und Stifskapitel widerrufen werden kann. Dieser Widerruf kam jedoch nie. Wie genau das damalige Kloster aussah, ist übrigens nicht belegt, da der Berg auf Stichen stets nur als Hintergrund von Stadt- und Schlossansichten diente. Mit der Zeit entstand eine Provinz, in der ein theologisches Studium mit zeitweiligem Öffentlichkeitscharakter für den Nachwuchs eingerichtet wurde. Dieses hatte bis in das 19. Jahrhundert Bestand.
Im weiteren Verlauf tat man viel für die Verschönerung der Kirche, wie etwa das Anlegen des Kapellen-Kreuzwegs (1737/38). Der Aufschwung wurde jedoch am 29. März 1757 durch einen verheerenden Brand zunichte gemacht. Außer den Grundmauern und das Dachgestühl aller Konventsgebäude brannte alles nieder. Lediglich der getrennt stehende Fürstenbau wurde verschont. Wegen des Siebenjährigen Kriegs war der Wiederaufbau allein Sache der Franziskaner. Glücklicherweise waren fast alle benötigten Fachkräfte in den eigenen Reihen. Die über 30.000 Gulden Baukosten wurden größtenteils durch die Ordensprovinz gedeckt. Am 8. September 1750 erfolgte die Grundsteinlegung, am 3. Oktober 1760 konnte in der provisorisch bereit gemachten Kirche der erste Gottesdienst gefeiert werden. Die feierliche Kirchweihe des Neubaus war am 10. Juli 1763. Der Bau des Konventsgebäudes begann im Frühjahr 1762 nach Plänen und unter der Leitung von Bruder Cornelius Schmitt.
Übernahme, Ausbau und Studienkloster
Erneute Wirren brachten die Französische Revolution und die Säkularisation. Von zahlreichen Männerorden in Fulda blieben nur die Franziskaner übrig. Während der Frauenberg glimpflich davon kam, traf es die Franziskanerprovinz sehr hart: Von 21 Klöstern mit rund 600 Brüdern blieben nur zwei übrig – Fulda und Salmünster. Erst nach dem Anschluss von Hessen-Kassel an Preußen 1866 konnten sie wieder Neugründungen vorbereiten. Fulda wurde zum Zentrum der Provinz.
1875 ein weiterer Einschnitt: Durch den Kulturkampf und das sogenannte Ordensgesetz wurden alle Bewohner des Klosters am 20. Oktober auf die Straße gesetzt. Es wurde still um den Frauenberg – Kirche und Kloster geschlossen und von einem Regierungsbeauftragten bewacht. Vier Jahre später flaute der Kulturkampf ab und die Preußische Regierung bot der Stadt Fulda den Frauenberg für 20.000 Goldmark zum Kauf an. Die Stadt nahm an und feierte mit der Übergabe am 13. September 1879 und der Öffnung der Kirche einen Festtag. Die Franziskaner durften jedoch erst ab 1887, als die meisten Orden in Preußen wieder zugelassen waren, wieder öffentlich auftreten und das Kloster öffnen. Durch einen Wohltäter konnten die 20.000 Goldmark zurückerstattet werden, das Eigentumsrecht ging aber an den Bischöflichen Stuhl von Fulda.
In der Folge erfreute sich der Frauenberg eines stetigen Aufschwungs. Selbst der Erste Weltkrieg wirkte nur vorübergehend hemmend auf die Entwicklung ein. Im Gegenteil: nachdem die Verfassung der Weimarer Republik alle staatskirchlichen Beschränkungen hatte fallen lassen, erreichten sie sogar den Höchststand äußerer Entfaltung. Ab 1908 wurde der Konvent mit einem provinzinternen achtsemestrigen Theologiestudium abermals zum Studienkloster. Das blieb es auch bis 1968. Zudem erzwang die mehrfach angestiegene Zahl der Konventsmitglieder bauliche Erweiterungen, ohne das äußere Erscheinungsbild des Frauenberges merklich zu verändern.
Der Frauenberg zur NS-Zeit
Doch es kam, wie es kommen musste. Das NS-Regime würgte die aufstrebende Entwicklung ab. Nach vielen Erschwernissen und Schikanen, bemächtigte sich die Gestapo in brutaler Weise im Dezember 1940 des Frauenberges. Die Bewohner mussten innerhalb von drei Stunden den Frauenberg, bis zum nächsten Abend die Stadt Fulda und nach drei weiteren Tagen die Provinz Hessen-Kassel verlassen. Die Kirche wurde geschlossen, der Konvent Anfang 1941 zur SG-Schule bzw. im Frühjahr 1942 zum Reserve-Lazarett der Wehrmacht. Zwar waren Kirche und Bibliothek versiegelt, das hinderte die Machthaber jedoch nicht daran, wertvolle Bestände abzutransportieren. Dank dem Provinzial P. Vinzenz Rock, der 1936 die Folgen der NS-Herrschaft voraussah und zahlreiche Studenten und junge Brüder nach Portugal oder Brasilien in ein zweites Missionsgebiet schickte, hatten die Fuldaer Franziskaner die geringsten Verluste an Brüdern durch den Krieg zu beklagen.
Nach dem Sturz des Regimes konnten die Franziskaner im Frühsommer 1945 zurückkehren, das Lazarett im Juni schließen und in der unbeschadeten Kirche ihre Funktionen wieder aufnehmen. 1963 feierte der Frauenberg 200 Jahre Kirchweihe. Auf dem Provinzkapitel 1970 wurde die Renovierung des gesamten Baukomplexes beschlossen, wodurch im Inneren Neuerungen großen Ausmaßes entstanden. Nach der Wiedereröffnung am 30. Mai 1974 wurde der Komplex erst von 1999 bis 2004 erneut von Grund auf saniert und umgebaut. Das Ergebnis präsentierte man am 1. Mai 2004 am Tag des offenen Klosters.
Zukunft und Kooperation mit antonius
Heute leben noch etwa 25 Franziskaner im Kloster, die neben ihrer franziskanischen Berufung auch oft im seelsorglichen Dienst stehen, oder in handwerklichen Berufen sowie in der Verwaltung tätig sind. Den Status einer Provinz hat Fulda im Jahr 2010 verloren, da die bis dato vier deutschen Franziskanerprovinzen in eine von München aus geführte Provinz zusammengeschlossen wurden. Darüber hinaus schlug der demografische Wandel auch bei den Franziskaner zu: Aufgrund sinkender Mitgliederzahlen und dem steigenden Altersdurchschnitt der Brüder waren alle Niederlassungen auf dem Prüfstand. Mehrere Standorte sollten aufgegeben werden. Da die Franziskaner dennoch auf dem Frauenberg bleiben wollten, holten sie sich Unterstützung. Mit der Kooperation mit antonius – Netzwerk Mensch beschreitet das Kloster auf dem Frauenberg nun einen neuen Weg.