Was plant Fulda mit dem Kerber-Areal?
Vor dreieinhalb Jahren hat Galeria Kaufhof den früheren Kerber geschlossen. Doch Konzeptkaufhaus Karl und Stadtlabor sind nicht für die Ewigkeit gedacht. Was er vorhat, hat Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld im Exklusiv-Gespräch mit der Fuldaer Zeitung verraten.
Aus dem einstigen Kaufhaus in der Rabanusstraße ist mittlerweile ein Stadtlabor geworden, in dem Stadt und Start-ups innovative Ideen testen können: Pop-Up-Shops, Coworking-Spaces, Ausstellungen, bald ein Garten mitsamt Café auf dem Dach – die aktuelle Nutzung ist vielfältig. „Das Stadtlabor ist ideal, um herauszufinden, was in der Realität umsetzbar ist – und was sich als weniger tragfähig erweist“, erklärt Wingenfeld.
Millionen-Förderung ermöglicht Vielfalt
Möglich ist diese Experimentierphase auch deshalb, weil Fulda von einer millionenschweren Förderung des Bundes profitiert: 2,63 Millionen Euro flossen über das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Das ermögliche erst diese große Vielfalt: „auch für Dinge, die ansonsten nicht darstellbar wären, weil das Budget nicht vorhanden ist“.
Die Fuldaer Experimentierfreude ist nicht selbstverständlich: Als Galeria den Kaufhof geschlossen hatte, war der Schock in Bevölkerung und städtischen Gremien zunächst groß. Was tun mit diesem riesigen Klotz inmitten der Innenstadt? Fulda ist einen Weg gegangen, den jetzt andere Städte mit Kaufhof-Gebäuden nachmachen, darunter Hanau und Offenbach: Die Stadt hat die Immobilie gekauft, um zu verhindern, dass das Areal in die Hand von Spekulanten fällt.
Jede Menge Pläne für komplexe Gebäudestruktur
Wie viel Fulda dafür berappen musste, ist bis heute unbekannt. Mit der Kerber-Familie war seinerzeit über den Kaufpreis Stillschweigen vereinbart worden. „Unser Mut von damals hat sich heute als richtig erwiesen“, glaubt der OB. Und trotzdem gibt es daran Kritik: „Aber allen, die finden, eine Stadt dürfe kein Kaufhausbetreiber sein, denen sage ich: Ja, das stimmt.“ Es gehe hier um eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung dieser großen Fläche mitten in der Innenstadt. Ziel der Stadt sei es, die Veränderungen aktiv zu gestalten. Was kommt also nach dem Experimentieren – und wann?
Aktuell unterscheiden sich die Überlegungen zur Nutzung je nach Gebäudeteil des alten Kerbers mit seiner komplexen Struktur, wobei das sogenannte City-Haus aktuell eine Belegung hat, die sich Wingenfeld langfristig vorstellen kann. Im Erdgeschoss haben sich entlang der Bahnhofstraße Handel und Dienstleister etabliert. Die Mietverträge, die ursprünglich bis 2024 liefen, wurden jüngst bis 2029 verlängert.
Auch die Volkshochschulen ziehen im ehemaligen Kerber ein
Weiterer zukunftsweisender Mieter ist die ekom21, ein kommunaler Dienstleister in der IT-Branche, der hier 50 Arbeitsplätze schaffen wird und den Standort Fulda stärkt, betont der Oberbürgermeister. In diesem Bereich sind noch nicht alle Räume belegt, „aber die Weichen für die Zukunft sind gestellt“. In den nächsten Jahren sollen die beiden Volkshochschulen von Stadt und Landkreis einziehen: „Das sind beides natürliche Frequenzbringer für die Innenstadt“, erklärt Wingenfeld. Denn genau darum geht es: Der Kerber habe früher die Menschen in die Stadtmitte geholt, und davon profitierten die umliegenden Geschäfte und Gastronomiebetriebe. Als das Kaufhaus schloss, hätten die Betriebe die Auswirkungen extrem gespürt.
Zudem wird der städtische Eigenbetrieb Parkstätten zum 1. Oktober das Parkhaus übernehmen, das bislang noch das Berliner Unternehmen Contipark betreibt. Sowohl Parkhaus als auch City-Haus sollen erhalten bleiben: „Der Magistrat und ich gehen davon aus, dass hier kein Abriss erfolgt.“
Nutzungsmix: Handel, Bildung und medizinische Versorgung
Anders gestaltet sich die Situation in der Lindenstraße. Dort stünde eine Freifläche, der frühere Anlieferparkplatz, für eine Bebauung zur Verfügung. Für diesen Bereich sowie für den alten Kaufhausbereich an der Rabanusstraße werden verschiedene Nutzungsszenarien entworfen. „Wir verfolgen das Ziel eines Nutzungsmixes: möglicherweise Handel, medizinische Versorgung und Bildung“, berichtet Wingenfeld. Die medizinische Versorgung sei ein wichtiger Aspekt, da zum einen adäquate Räumlichkeiten für Ärzte anderswo schwer zu finden seien.
Und zum anderen bringe auch dies Frequenz. „Es ist gut, wenn Menschen in die Innenstadt kommen und den Arztbesuch mit einem Einkauf oder gastronomischen Besuch verbinden.“ Gleiches gelte für weitere Initiativen im Bildungsbereich, die sich der Oberbürgermeister hier vorstellen kann. Auch für Kultur, Hotels und Kongressanbieter gebe es Optionen, über die in den kommenden Monaten befunden werden soll. „Es ist gut, dass wir viele Ideen und viele Optionen haben.“
Lange Umbauphase für Gebäudeteil an Rabanusstraße
Bis das langfristige Konzept in dem Bereich steht, dauert es noch. Denn hier muss modernisiert werden: „Das bedeutet, dass wir eine längere Bauphase haben werden.“ Erste Vorbereitungen dafür könnten schon im kommenden Jahr getroffen werden, sagt Wingenfeld. Mit Blick auf die momentan „sehr lebendigen Initiativen“ dort wünsche er sich aber, „dass wir das Thema Stadtlabor noch eine geraume Zeit weiterführen“. Es stimme, unterstreicht Wingenfeld nochmals, die Stadt wolle kein Kaufhausbetreiber sein: „Aber es ist eine gute Chance, Dinge weiter auszuprobieren.“
Ein Text von Sabrina Mehler, Fuldaer Zeitung
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