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STADTGEFLÜSTER

„Die Augen der Stadt“

Fuldas Stadttore sicherten den Zugang im Mittelalter - und auch heute sind sie noch zu bewundern.

Ob aus Stein, schwerem Holz oder mit Eisen beschlagen. Ob aufwändig verziert, mit gusseisernen Figuren, die auf dem Bogen thronen, oder mit beeindruckenden Flügeltüren: Stadttore waren mächtige und imposante Bauten und hatten vor allem im Mittelalter eine bedeutende Funktion: Sie regelten und sicherten den Ein- und Ausgang in eine Stadt. Nur durch ihre beeindruckenden Torbögen gelangte man ins Ortsinnere – rundherum verhinderte eine massige Mauer das Betreten.

So auch bei uns in Fulda. 1,7 Kilometerlang und zwei Meter breit soll die Stadtmauer damals gewesen sein. Mindestens 18 Türme schützten vor räuberischen Banden, vier Tore bildeten den Zugang zur Stadt und zwei Tore führten von dort aus in den Stiftsbezirk. Spaziert man heute die Rabanusstraße entlang, wäre man früher in einem 40 Meter breiten Stadtgraben versunken. Dieser lag direkt vor der Stadtmauer und führte über die Universitäts- bzw. Schulstraße in die Dalberg- und Königstraße. Nur über eine Brücke, die zum Tor führte, konnte man den tiefen, zum Teil mit Wasser befüllten Graben überqueren.

Doch eins steht fest: Selten war ein Tor bloß ein Tor. Das Verhältnis war zwiespältig. Auf der einen Seite waren sie als Zugangsmöglichkeit unerlässlich – zum Beispiel, um Handel zu betreiben. Andererseits stellten sie eine Gefahr dar, denn sie waren eine Schwachstelle in der sonst so sicheren Stadtmauer. Durch sie konnten Feinde oder Fremde ins Ortsinnere gelangen. Darüber hinaus sprach man ihnen eine enorm repräsentative Bedeutung zu. Selten standen die Tore einfach nur so, unspektakulär in der Mauer. Sie waren mit ihren Bögen, prunkvollen Verzierungen oder hohen Türmen wahre architektonische Meisterwerke. Oft galten sie als Wahrzeichen der Stadt und wurden mit einem Abdruck auf Münzen, Wappen oder Siegeln gewürdigt. Schon von weitem waren sie als sichtbares Merkmal zu erkennen, so dass Shakespeare sie treffend als „Augen der Stadt“ bezeichnete.

Im mittelalterlichen Fulda gelangte man südwestlich über das Kohlhäuser Tor, auch Frankfurter Tor genannt, ins Ortsinnere. Nordöstlich stand das Heertor, im Süden und Südosten erschlossen das Florentor und das Peterstor das besiedelte Gebiet.

 

Peterstor 

Das Peterstor befand sich damals ungefähr auf der Höhe der heutigen Hausnummer 20 in der Straße Peterstor, die übrigens ihren Namen dem großen Tor verdankt. Und groß war es wirklich. Vor allem der quadratische, sechs Meter breite Torturm überragte mit seinen 45 Metern Höhe alle anderen Türme der Stadtbefestigung. Eine große Brücke führte über den Stadtgraben, an deren Ende ein Vortor lag – ein Wachthaus, das mit einer turmartigen Bastion gesichert war. Von diesem ist noch heute ein Teil erhalten und bei uns als das „Peterstor“ in aller Munde. So mächtig und erhaben, wie es früher mal war, sieht die halbrunde sechs Meter hohe Ruine nun nicht mehr aus. Versteckt unter grünem Efeu und einer Kletterhortensie wirkt sie fast schon etwas verloren und kann inmitten des Autotrubels auf der Rabanusstraße auch schnell mal übersehen werden. Dennoch lohnt es sich, sie näher zu betrachten. Mit ihren Schießscharten und ihrem dicken Gemäuer erzählt sie von kämpferischen, vergangenen Zeiten.

 

Florentor

Unweit des Peterstors befand sich das Florentor, und zwar vor der jetzigen Hausnummer 14 der Florengasse. Auch hier sicherte ein Torturm, der elf Meter hoch und sieben Meter breit war. Überquerte man den Graben über die steinerne Brücke, gelangte man in die Floravorstadt, die gen Süden durch das Äußere Florentor geschützt wurde. Dies wurde von den Bewohnern nur Mannstörlein genannt. Von dort aus führte ein Weg hoch zum Florenberg. Vom einstigen Tor ist heutzutage nichts mehr zu erkennen.

 

Kohlhäuser Tor 

Ebenso das Kohlhäuser Tor musste fast komplett den Um- und Neubauten in der Barockstadt weichen. Eine kleine Querstraße zur Karlstraße erinnert heute an den damaligen Standort des wichtigsten Zugangs zur Stadt: Durch das Kohlhäuser Tor führte die Alte Heerstraße Frankfurt-Leipzig. Die Route war stets gut besucht, umso wichtiger war es, das Tor ausreichend zu sichern. Ein 17 Meter hoher und sieben Meter breiter Torturm, der durch vorgeschobene Bastionen stark befestigt war, übernahm die bedeutungsvolle Aufgabe.

 

Heertor 

Hoch her ging es in den vergangenen Jahrhunderten für das nordöstlich gelegene Heertor, das ebenfalls Durchgangsstation für die Alte Heerstraße gewesen sein soll. So stand es in den 1950er-Jahren kurz vor dem Abriss. Die Bevölkerung fand, es sei weder eine Schönheit noch eine Sehenswürdigkeit und sei alles andere als „herrschaftlich“. Lebhafte Diskussionen bei Bürgern und Politikern folgten – am Ende ging es gut aus für das alte Tor und es blieb dort stehen, wo es bereits seit Jahrhunderten stand. 2001 folgte dann die nächste Aufregung: Es wurde „umgeparkt“, damit die Tiefgarage unter dem Omnibusbahnhof gebaut werden konnte. Ein Jahr später konnte es aber wieder an seinen ursprünglichen Standort zurückgestellt werden. Auch sind sich Historiker unsicher, ob es überhaupt als Durchgangstor genutzt wurde – schließlich war es längst nicht so breit und hoch wie seine anderen Zeitgenossen. Und dann wurde sogar noch daran gezweifelt, ob es überhaupt das „echte“ Heertor ist. Andere wiederum sagen, es sei das älteste erhaltene romanische Stadttor Deutschlands. Dennoch, trotz des ganzen Trubels, steht der Rundbogen heute majestätisch und herrschaftlich auf dem modernen Omnibusbahnhof am Stadtschloss.

 

Frauentörlein, Paulustor und Abtstor 

Zwei bewachte Zugänge bildeten zudem den Einlass in den Klosterbezirk, der streng vom Stadtbereich getrennt war. Das Frauentörlein, welches neben dem Hexenturm lag und nicht mehr als eine etwas größere Pforte war, gewährte Fußgängern Zutritt zum Stift. Wagen und Fahrzeuge mussten das Paulustor passieren. Außerdem sicherte noch das Abtstor den Zugang– dies jedoch vermutlich für den Vorstadtbereich. Die gleichnamige Straße erinnert an seinen Standort an der Ecke zur Wilhelmsstraße.

Prachtvoll und erhaben ist uns dafür das barocke Paulustor erhalten geblieben. Zwischen Orangerie und dem Bischöflichen Generalvikariat, am Ende der Pauluspromenade, führt es auch heute noch Autofahrer und Fußgänger aus der Innenstadt hinaus. Doch dort stand es nicht immer: Im 18. Jahrhundert befand es sich viel weiter Richtung Innenstadt, nämlich zwischen Stadtschloss und der ehemaligen Hauptwache. 1711 wurde es nach den Plänen des Architekten und Baumeisters Johann Dientzenhofer erbaut und ersetzte das bereits vorhandene mittelalterliche Tor. 60 Jahre später, im Jahr 1771 ließ Karl Philip Arnd es Stein für Stein an den heutigen Standort versetzen und durch seitliche Anbauten verbreitern. Die Kathedralkirche sollte mehr in die Stadt integriert werden, das Tor musste also weichen.