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STADTGEFLÜSTER

Ein Besuch in Fuldas erstem Kino

Als die Bilder laufen lernten: Wie so ein Besuch in Fuldas erstem Kino ausgesehen haben könnte, lest ihr in einer Erzählung von Franz Hupke.

Erst kürzlich haben wir eine Reise durch die Geschichte der Fuldaer Kinos unternommen. Drehen wir die Zeit doch noch einmal ganz zurück: Anfang des 20. Jahrhunderts, als die ersten Kinos eröffneten, waren bewegte Bilder auf einer Leinwand noch etwas ganz Besonderes. Wie so ein Besuch in Fuldas erstem Kino ausgesehen haben könnte, lest ihr hier in einer Erzählung von Franz Hupke, die auf Zeitzeugenberichten und gesammeltem Archivmaterial beruht.

 

Reise in die Vergangenheit

 

Es ist 1911: Vor dem neuen Kinematographen in der Leipziger Straße, dem Union Theater, drängen sich Herren mit gepflegtem Schnauzbart sowie Damen mit langen weiten Röcken und großen Hüten, die aber schon vor dem Vorstellungssaal abgenommen werden müssen. Platzanweiser führen die Besucher nach einem kurzen Blick auf die Eintrittskarte zu ihren Sitzen. Während der gesamten Vorführung hat man jederzeit Zutritt zum Vorführraum.

Dann wird es dunkel im Saal. So dunkel, dass man seinen Sitznachbarn kaum noch sehen kann. Alle Augen folgen gebannt den heftig gestikulierenden, aber stummen Akteuren auf der Leinwand. Neben dem monotonen Surren des ablaufenden Films begleiten bei besonders ergreifenden Szenen ein Harmonium oder eine Violine die eckigen und ruckartigen Bewegungen der ersten Filmstars. Zwischendurch tritt der Rezitator, der Filmerklärer, mit einem langen Stock in den Vordergrund und erläutert das zappelnde und flimmernde Geschehen auf der Leinwand. Die Vorführkabine mit dem Filmprojektor steht mitten im Zuschauerraum.

 

Rasierplatz oder Galerie?

 

Eine Vorführung im Kino dauert etwa anderthalb bis zwei Stunden und setzt sich aus rund einem Dutzend unterschiedlicher kurzer Film-Nummern zusammen. So folgen auf Naturaufnahmen kurze Dramen, dann ein Ballett und auf die Humoreske eine Aktualität – ein Programm, das für jeden Geschmack etwas bietet. Während der Pausen gibt es Grammophon-Vorträge allererster Gesangskünstler, wie Caruso oder Hempel.

Für einen Kinobesuch muss man zwischen 25 und 70 Pfennig investieren, je nachdem, ob man auf dem billigsten Platz, dem sogenannten Rasierplatz, sitzen möchte oder doch lieber auf den schönsten Plätzen der Galerie. Mit diesem breit gefächerten Preis- und Platzangebot will man alle Bevölkerungsschichten ansprechen. Kinder und Militärs zahlen außerdem nur die Hälfte. Täglich werden von 16 bis 22 Uhr Filme vorgeführt, sonntags ist Programmwechsel.

 

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