„Gute Geschichten gibt es nicht zum Nulltarif“
Seit zwanzig Jahren begeistert Spotlight Musicals mit Produktionen wie „Die Päpstin“, „Bonifatius“ oder „Robin Hood“ ein nationales und internationales Publikum – insbesondere beim Fuldaer Musical-Sommer, der die Barockstadt jährlich in ein Pilgerzentrum für alle Fans des Musiktheaters verwandelt. Mehr darüber erzählen uns die Geschäftsführer Peter Scholz und Dennis Martin im Interview – ein wenig Zukunftsmusik darf natürlich auch nicht fehlen.
20 Jahre Spotlight Musicals – wie hat alles angefangen?
Peter Scholz: Die Idee für ein Musical über Bonifatius kam 2002 auf, ins Leben gerufen von Dennis Martin. Ich selbst bin 2003 dazugestoßen, und gemeinsam mit Michael Weiß, Zeno Diegelmann und Thomas van de Scheck bildeten wir eine Art Arbeitseinheit, noch bevor der Name Spotlight Musicals überhaupt existierte.
Dennis Martin: Anfangs ging es uns nur darum, dieses eine Projekt zu realisieren, ohne die Absicht, daraus etwas Langfristiges zu machen. Wer hätte ahnen können, dass „Bonifatius“ so gut ankommt? Als dann 2011 „Die Päpstin“ kam und noch größeren Erfolg hatte, begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass das nun unser Hauptgeschäft sein muss.
Peter Scholz: Trotz Schwierigkeiten und der Notwendigkeit, mit einer gewissen Garagen-Mentalität zu arbeiten, haben wir festgestellt, dass das, was wir tun, nicht nur unser Business ist, sondern auch richtig gut zu uns passt. Künstlerische Lebenswege lassen sich eben kaum planen.
Was zählt für euch zu den Höhepunkten in der 20-jährigen Geschichte?
Peter Scholz: Jede Premiere ist ein Highlight. Es ist jedes Mal ein Abenteuer, neue Talente ins Team zu holen, die man vor Probenstart manchmal noch gar nicht kennt und wo man nicht weiß: Kommen die wirklich? Zum Glück sind sie immer angereist. Das ist fast schon verrückt. Wenn dann die Premiere naht und alle Beteiligten voller Energie zusammenkommen, dann entsteht diese Magie, die man nur im Theater erleben kann. Aber es steckt auch viel Arbeit dahinter, viel persönliche Energie und Überzeugungsarbeit. Es ist herausfordernd, viele verschiedene Egos und Individuen unter einen Hut zu bringen – aber es lohnt sich.
Wie hat sich der Prozess der Musicalproduktion im Laufe der Zeit verändert?
Peter Scholz: Im Laufe der Jahre sind wir mit immer anspruchsvolleren Künstlern und mit internationalen Talenten in Kontakt gekommen. Das setzt uns unter Druck, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den internationalen Standards entsprechen, was in Fulda eine echte Herausforderung darstellt. Zudem spüren wir, dass wir mit dem Älterwerden nicht mehr so belastbar sind. Es zeigt sich in körperlichen Symptomen und erfordert viel Selbstreflexion, um nicht daran zu zerbrechen. Wir stehen vor der Wahl: Entweder wir halten dem Druck stand oder wir müssen aufhören. Die nächsten zehn Jahre werden entscheidend sein. Dabei stehen wir vor der Frage: Wo müssen wir uns diese Garagen-Mentalität, die Flexibilität beibehalten und was muss standardisiert oder weiter professionalisiert werden? Häufig stehen wir vor einer unlösbaren Aufgabe und dann kommen von irgendwo her spannende Menschen und die bieten dir auf einmal die passende Lösung für dein Problem. Die Bewertung jeder Situation definiert sich durch die Menschen, die dabei sind. Daher ist Kommunikation eine zentrale Aufgabe.
Ihr feiert mittlerweile auch internationale Erfolge. Werden die Spotlight Musicals vielleicht die ganze Welt erobern?
Peter Scholz: Gerade hatten wir ein Gastspiel in Zürich, und die bürokratischen Hürden sind unfassbar hoch. Wir haben uns in den vergangenen vier Wochen fast ganztägig nur mit Gesetzen und Auflagen beschäftigt. Da musst du regelrecht jede Unterhose, die du im Lastwagen hast, mit Gewicht und Preis und Herkunftsland angeben. Das ist extrem frustrierend und fast schon erniedrigend. Aber auch in Deutschland ist es komplizierter geworden für uns. Hätten wir diese Bürokratie vor 20 Jahren schon gehabt, dann hätten wir die Firma sicher nicht gegründet. Auf der anderen Seite planen wir ein Gastspiel mit Robin Hood in China und ausgerechnet dort scheint vieles einfacher. Dieses Gefühl, willkommen zu sein, ist in Europa leider nicht überall spürbar. Die europäischen Länder wollen ihre eigenen Kulturbetriebe schützen. Verständlich, erschwert aber den Austausch. Die bisherigen Erfahrungen in Shanghai, die Freundlichkeit der Menschen und ihr echtes Interesse motivieren mich. Es zeigt, dass trotz der bürokratischen Schwierigkeiten der kulturelle Austausch tiefgreifend und bereichernd empfunden werden kann. Außerdem habe ich einen egoistischen Grund, warum ich wieder nach China möchte: Ich stehe total auf diese Suppe zum Frühstück. Das Gemüse ist in Shanghai sowas von frisch, weil es überall in der Stadt kleine landwirtschaftliche Betriebe gibt. Der frische Spinat landet dann direkt in deiner Suppe. Das ist so lecker! Ein etwas eigennütziges Argument – aber man muss auch immer an den Spaß bei der Sache denken.
Die Päpstin kommt als Neuinszenierung zurück. Was bedeutet das für euch und die Zuschauer?
Dennis Martin: Es handelt sich nicht um einfache Wiederaufnahmen bestehender Stücke, sondern um etwas völlig Neues. Wir haben das Konzept intensiv überarbeitet, das Skript komplett neu geschrieben und drei frische musikalische Motive eingeführt. Mit einem komplett neuen Bühnenbild, neuen Kostümen, einem neuen Regisseur und Bühnenbildner wird sich die Produktion stark von unserer bisherigen Version unterscheiden. Es ist ein Aufwand, der fast einem komplett neuen Stück gleichkommt, aber wir glauben fest daran, dass es das wert ist.
Spotlight Musicals feiert die 20 Jahre natürlich gebührend: Könnt ihr uns schon mehr über die große Jubiläumsshow im Sommer verraten?
Dennis Martin: Unsere Jubiläumsshow wird mit aktuell über 16 Solisten wirklich etwas Besonderes – und ein großer Kraftakt. Die Komplexität der Show, kombiniert mit den Vorbereitungen für andere Projekte wie der Robin Hood Tour und der Premiere der Päpstin, verlangt von uns eine immense organisatorische Leistung. Es ist definitiv ein spannender Balanceakt, aber wir gehen ihn mit großer Vorfreude an. Was die Auswahl der Stücke angeht, so haben wir eine Menge Herzblut in die Planung gesteckt. Wir haben rund 200 Songs, zu denen wir jeweils eine besondere Beziehung haben, und stehen vor der schwierigen Entscheidung, vielleicht 30 Nummern davon auszuwählen. Man muss bedenken, dass jede Entscheidung nicht nur musikalisch, sondern auch choreographisch abgestimmt sein muss, was uns vor Zehntausende von Kombinationsmöglichkeiten stellt – und jeder unserer treuen Darsteller wäre gerne dabei, was uns unheimlich freut, aber auch unmöglich umzusetzen ist bei hunderten von tollen Künstlern. Die bisherige Setlist ist ein guter Anfang, aber jetzt beginnt die eigentliche kreative Arbeit. Es geht darum, die Ideen so zu verflechten, dass jeder Performer und jedes Stück zur Geltung kommt. Dabei sind oft die Darsteller selbst eine Inspirationsquelle, die mit eigenen Vorschlägen an uns herantreten. Es ist ein Geben und Nehmen, das oft zu den besten Momenten führt.
Und ganz nebenbei arbeitet ihr auch an Chris de Burghs neuem Studioalbum mit.
Peter Scholz: Er wollte dieses Album gerne hier bei uns aufnehmen, und bringt dafür einen Produzenten aus London mit, der bereits mit Legenden wie George Michael und den Backstreet Boys zusammengearbeitet hat. Und wir haben die Ehre, selbst als Musiker dabei zu sein – das ist schon etwas ganz Besonderes. Die größte Anforderung lag auch darin, diese Studioarbeit mit unseren laufenden Projekten zu koordinieren, denn so ein Engagement als Studiomusiker erfordert volle Aufmerksamkeit und viel Flexibilität. Aber das ist das Spannende bei unserem Job, es passieren häufig sehr außergewöhnliche Dinge.
Wie teilt ihr eigentlich die ganzen Aufgaben unter euch auf?
Dennis Martin: Wir haben schon vor 30 Jahren gemeinsam in einer Band gespielt. Musik ist unsere gemeinsame Sprache. Der plötzliche Tod von Michael Weiß 2006 zwang uns dann, unsere Aufgaben neu zu koordinieren. Während ich mich mehr auf die kreativen Dinge wie das Komponieren konzentriere, übernimmt Peter die organisatorischen und produktionsbezogenen Aufgaben. Diese Aufteilung ermöglicht es uns, unsere Stärken optimal einzusetzen.
Was motiviert euch, immer wieder neue Wege in eurer kreativen Arbeit zu gehen?
Dennis Martin: Inspiration ist ein komplexer Prozess, der aus Impulsen, Intuition und Deadlines besteht. Es geht nicht immer nur darum, kreativ zu sein, sondern auch darum, Entscheidungen zu treffen und ihnen zu vertrauen. Kreatives Schaffen erfordert eine gewisse Offenheit für neue Ideen und die Fähigkeit, diese umzusetzen. Manchmal ist es der Druck der Deadline, der uns hilft, Entscheidungen zu treffen und Projekte abzuschließen.
Habt ihr denn Zeit, euch auch andere Musicals anzuschauen?
Dennis Martin: Trotz unseres vollen Terminkalenders versuchen wir, uns andere Produktionen anzusehen, denn das bringt uns neue Impulse. Dabei können gute als auch weniger gute Vorstellungen gleichermaßen lehrreich sein. Wir beschäftigen uns auch intensiv mit dem internationalen Markt, um zu sehen, was dort passiert. Ganz besonders interessieren uns aber die kleineren, innovativen Produktionen, die mit wenigen Mitteln viel erreichen.
Gab es Momente, in denen ihr an allem gezweifelt habt?
Dennis Martin: Es gibt Herausforderungen, die rückblickend oft amüsant wirken, aber in dem Moment alles andere als lustig waren. Zum Beispiel bei Robin Hood, wo wir kurz vor der Premiere standen und plötzlich alle krank wurden. Zusätzlich die unvollständigen Theaterumbauten, was dazu führte, dass wir bis zehn Tage vor der Premiere unter extrem schwierigen Bedingungen probten. Solche Momente lehren uns aber, in schwierigen Zeiten den Humor nicht zu verlieren. Und sie haben uns ein gewisses Vertrauen gegeben, dass wir es immer irgendwie schaffen.
Peter Scholz: Gute Geschichten gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Was steht noch auf eurer Wunschliste für die kommende Zeit?
Peter Scholz: Die Lizenz-Premieren unserer Stücke „Die Päpstin“ und „Die Schatzinsel“ in Budapest haben einen persönlichen Wunsch geweckt. Alles, was bei einer Premiere stressig ist, wenn man selber produziert, fehlte dort komplett. Es war eine unglaublich leichte Erfahrung, vom Flughafen abgeholt zu werden, das Stück zu genießen und sich um nichts kümmern zu müssen. Solche Momente wünsche ich mir persönlich öfter. Aber wir wissen, dass dieser Luxus die Ausnahme und nicht die Regel sein wird. Im Prinzip ist alles gut, wie es ist. Hauptsache, alle bleiben gesund und wir dürfen noch einige Jahre unsere Arbeit machen.
Hier lest ihr unser Interview mit den Darstellern des Spotlight Musicals Robin Hood. Mehr Stadtgeflüster findet ihr hier. Besucht uns auch bei Facebook und Instagram für mehr Eindrücke aus der Barockstadt.