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STADTGEFLÜSTER

Unsere Friedrichstraße

Berlin hat eine, Wiesbaden hat eine und Kassel auch - wir sind uns aber sicher: Unsere Friedrichstraße ist die schönste von allen. Kennt ihr ihre ältere und jüngere Geschichte?

Noch kühle Luft und trotzdem die warme Sonne im Gesicht, eine heiße Tasse Kaffee in der Hand, den Blick auf geschichtsträchtige Häuser und vorbeischlendernde Menschen gerichtet – es gibt kaum schönere Möglichkeiten, seinen Sonntagmorgen in Fulda zu genießen, als vor einem der Cafés und Restaurants in der Friedrichstraße. Obwohl die inoffizielle Hauptstraße Fuldas nur etwa 200 Meter lang ist, kann man hier Stunden verbringen: Die Gebäude erzählen ihre lange Geschichte und die Geschäfte und Menschen spiegeln den typischen Fuldaer Lebensstil. Und trotz ihres ausgeprägten Charakters ist die Friedrichstraße im Herzen Fuldas noch immer im Wandel.

Beginnend nach den imposanten Bauten an der Pauluspromenade bis hin zu den zwei Türmen der Stadtpfarrkirche am Platz „Unterm Heilig Kreuz“ erstreckt sich die Friedrichstraße im Herzen Fuldas. Sie verbindet die barocke Altstadt mit der modernen Innenstadt und das lässt tatsächlich auch schon auf den Charakter der Lieblingsstraße der Fuldaer schließen. Shopping, Speisen und natürlich sehen und gesehen werden – hier kann der Fuldaer seine liebsten Freizeitbeschäftigungen voll ausleben. Doch bevor man sich in den verlockenden Angeboten der zahlreichen Geschäfte in der Friedrichstraße verliert, lohnt es sich auch, einen Blick nach oben zu werfen: auf die verspielten Details und die vielsagenden Wappen an den Häuserfassaden. Fast die gesamte Geschichte Fuldas lässt sich hier mit dem entsprechenden Hintergrundwissen ablesen. Und wer wären wir, wenn wir nicht bei dieser Voraussetzung ein wenig nachhelfen könnten?

 

Geschichte an den Fassaden

Die Geschichte der Friedrichstraße beginnt noch unter einem ganz anderen Namen: Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein nannte sich die Straße Schmiedegasse – und dem wird sie damals auch gerecht, denn die meisten Fuldaer Huf- und Wagenschmiede sind zu dieser Zeit dort ansässig. Für den damaligen Verkehr von großer Bedeutung leitete die Gasse den Durchgangsverkehr vom Kohlhäuser Tor zum Heertor oder geradeaus zum Paulustor. Zum Treffpunkt wurde die Schmiedegasse auch als Verbindung zwischen dem Marktplatz vor der Stadtpfarrkirche und dem alten Mehl- und Dienstagsmarkt am heutigen Bonifatiusplatz, der seit der Zuteilung der Marktlizenz 1019 ein lebhafter Knotenpunkt der Barockstadt war.

Der heutige Namenspatron der Friedrichstraße ist der letzte Vertreter der hessischen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm I. von Kurhessen, nach dessen Vorbild die Straße im Mai 1833 umgetauft wurde. Aber auch ein dritter Name spielt eine Rolle, will man vor allem die Atmosphäre der Straße beschreiben: Der Fuldaer Historiker Ernst Kramer bezeichnete die Friedrichstraße einst als „via triumphalis“. Und eine Prachtstraße ist sie wirklich: Die bürgerlichen Häuser in der Friedrichstraße gehören zu einem großen Teil noch zum beliebten Barockviertel der Stadt und tragen ihre Geschichte an den Fassaden. Wer die Augen offen hält, wird Familienwappen und Nasenschilder als Zeugen der Vergangenheit der Friedrichstraße und ihrer Bewohner finden. Sicher wurden diese auch schon von Kaisern und Königen begutachtet, die einst die Durchgangsstraße für ihre Reisen nutzten.

 

Der Fuldaer Lebensstil als Straße

Wo früher prächtige Kutschen durch die Straßen zogen, um den Reichtum zu präsentieren, wird man heute gerne mal von PS-starken Gefährten überholt, die extra langsam über das Kopfsteinpflaster brummen, wenn man im Sommer auf einer Restaurantterrasse sitzt und ein kühles Getränk genießt. Aber das gehört zur Friedrichstraßen-Atmosphäre dazu. Sehen und gesehen werden, ein stundenlanger Schaufenster-Bummel, hier und da jemanden treffen und ein kurzes Pläuschchen halten, das dann am besten noch zu einem gemeinsamen spontanen Kaffeeklatsch ausgedehnt wird – dafür ist die Friedrichstraße und dafür sind vor allem auch die Fuldaer wie geschaffen.

 

Fußgängerzone statt Durchfahrtsstraße?

Noch mehr Einkaufsmeile könnte die Friedrichstraße eigentlich nur noch werden, wenn man gemütlich mitten über die Straße schlendern könnte. Was dem im Weg steht? In der Friedrichstraße müssen Autos zwar Schritttempo fahren, sie ist aber nach wie vor eine gern genutzte Durchgangsstraße und auf einer Straßenseite darf sogar geparkt werden. Die Diskussion, die Friedrichstraße zur Fußgängerzone umzuwandeln, läuft schon seit mehreren Jahren. Bereits 2015 lud die Stadtverordnetenvorsteherin zu einer Bürgerversammlung ein. Hier äußerte vor allem die Interessengemeinschaft Friedrichstraße Kritik an den Überlegungen, die Friedrichstraße zeitlich begrenzt, wie etwa nur für den Sommer oder zu bestimmten Straßenfesten nur für Fußgänger freizugeben. Ansässige Händler und Gastronomen äußerten Bedenken vor Umsatzeinbußen und auch Anwohner sowie Grundstückseigentümer übten Kritik an der damit eingeschränkten Erreichbarkeit ihrer Wohnungen oder Immobilien. Auch die Erreichbarkeit und barrierefreie Anfahrt von Arztpraxen, Apotheken und Hotels sei so nicht mehr zu gewährleisten.

Ein Experiment zur Weihnachtszeit der vergangenen Jahre hat bereits gezeigt, wie eine autofreie Friedrichstraße die Innenstadt beeinflussen würde. An Tagen, an denen der Winterwald-Weihnachtsmarkt besonders frequenzstark besucht war, also vor allem an Wochenenden, blieb die Friedrichstraße gesperrt. An dieser Maßnahme werden auch die Vorteile einer Sperrung deutlich: Passanten können sich mit weniger Risiko zwischen den Straßenseiten bewegen und haben eine höhere Aufenthaltsqualität.

Nach einer Prüfung der Umwandlungspläne teilte die Magistratspressestelle dem Magazin move36 das eindeutige Ergebnis mit: Die Einschränkungen hinsichtlich der Erschließung der anliegenden Wohnungen und Geschäfte stehe nicht im Verhältnis zu dem Gewinn an Aufenthaltsqualität für die Fußgänger, teilte die Magistratspressestelle dem Magazin mit. Die verkehrlichen Einschränkungen seien höher als beispielsweise bei der Sperrung der Bahnhofstraße. Den Fuldaern bleibt also nur, gespannt abzuwarten, wie die lange Geschichte der Friedrichstraße im Laufe der Zeit weitergeschrieben werden wird.