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STADTGEFLÜSTER

Die Stadtpfarrkirche

Die Stadtpfarrkirche ist der späteste Barockbau Fuldas. Doch die Geschichte einer Kirche an dieser Stelle geht bis ins Mittelalter zurück.

 

Fährt man die Frankfurter Straße stadteinwärts, sind ihre beiden Türme schon von weitem zu sehen. Steht man direkt davor, wird deutlich, wie imposant sie eigentlich ist: die Stadtpfarrkirche. Mit ihren fast 54 Meter hohen Türmen ist sie der späteste Barockbau Fuldas. Von 1770 bis 1785 wurde sie unter Fürstbischof Heinrich von Bibra auf dem Platz Unterm Heilig Kreuz durch die Stadt Fulda errichtet.

 

Ein junger Bau mit alter Geschichte

 

Doch die Geschichte einer Kirche an dieser Stelle ist sehr viel älter und geht bis ins Mittelalter zurück. Die erste Kirche soll 1103 einem Brand zum Opfer gefallen sein, so kann vermutet werden, dass diese bereits existierte, als Fulda 1019 die Marktrechte erhielt. Danach folgte der Bau einer romanischen Kirche, welche im 15. Jahrhundert durch eine gotische Kirche ersetzt wurde, die in ihren Ausmaßen den heutigen Bau noch etwas übertraf. Von dieser Kirche existiert noch der Turm, der in die Stadtpfarrkirche mit einbezogen wurde und heute als Glockenturm dient. Zwei gotische Fenster erinnern an die vergangene Zeit. Geweiht ist die Kirche dem heiligen Blasius, einem armenischen Bischof und Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert, dessen Statue über dem Hauptportal zu sehen ist.

 

Die Öffnung des Hauptportals

 

Das Hauptportal der Stadtpfarrkirche mit der vorgelagerten großen Treppe war übrigens bis vor ein paar Jahren noch für Besucher und Kirchgänger geschlossen, hauptsächlich, um die Ruhe in der sich dort befindlichen Anbetungskapelle nicht zu stören. Der Zugang war nur über die Seitentüre möglich. Doch durch Umbaumaßnahmen und das Einziehen einer schützenden Wand, konnten 2015 die Türen des Hauptportals geöffnet werden – sehr zur Freude von Stadtpfarrer Stefan Buß, der dies maßgeblich vorangetrieben hat und die Kirche damit noch einladender machte.

Einladend schaut sie dabei nicht nur von außen aus, auch von innen wirkt der dreischiffige barocke Kirchenbau imposant, aber nicht überladen. Der aus rotbraunem Marmor geschaffene Hochaltar mit sechs Säulen wurde dem des Fuldaer Doms nachempfunden. Er enthält ein großes spätgotisches Kruzifix sowie das Wappen des Heinrich von Bibra. Zahlreiche Deckenfresken, Medaillons mit Apostel-Darstellungen sowie Stuckdekorationen schmücken den Kirchenraum. Wer die Kirche betritt, erblickt direkt einen ganz besonderen Gegenstand: Ein gotisches Taufbecken von 1483 mit modernem Bronzedeckel und Bergkristall aus der Vorgängerkirche.

 

Auch die Kirche muss mit der Zeit gehen

 

Apropos Kirche betreten: Wer durch das Hauptportal hereinkommt, steht in einem erst kürzlich neugestalteten, modernen Eingangsbereich. Hier laden Sitzbänke aus Holz zum Verweilen ein, ein Flatscreen zeigt an, wann der nächste Gottesdienst stattfindet, informiert über neue Projekte oder kündigt Veranstaltungen an. Außerdem kann jeder, der mag, seine Gedanken zur zuletzt gehaltenen Predigt auf Papier bringen. Hier wird deutlich: Auch Kirche muss mit der Zeit gehen. Dessen ist sich Stefan Buß nur zu bewusst. Der gebürtige Hesse und seit 2014 Stadtpfarrer der Innenstadtpfarrei St. Simplicius, Faustinus und Beatrix unternimmt viel, um zum einen die jüngeren Kirchgänger, zum anderen aber auch diejenigen, die „mit Kirche nicht viel anfangen können“, zu erreichen. So versucht er, die Menschen dort abzuholen, wo sie sind: Im S-Club, in der Kneipe, im Kulturzentrum Kreuz, aber auch im Schlosspark, im Café oder beim Bummeln in der Stadt.

Mit der Initiative Citypastoral Fulda, deren Träger die katholische Innenstadtpfarrei Fulda ist, mischt er sich mit einem jungen Team unter die Leute. Ob Veranstaltungen in der Stadt, caritative Kneipentour oder Glaubenskurse in Kneipen, das Ziel ist es „das gewohnte Territorium zu verlassen und den öffentlichen Raum mitzugestalten“, sagt er. „Wir wollen die Begegnung mit den Menschen fördern, das Miteinander leben und dadurch zeigen, dass Kirche viele Ausdrucksformen hat, dass Kirche auch außerhalb von Kirche stattfinden kann.“ Denn auch, wenn die Gemeindemitglieder sinken, gäbe es in der heutigen Zeit immer mehr Menschen, die auf der Suche nach Halt, nach Glauben und Geborgenheit seien. Mit diesen Menschen möchte er in Kontakt treten und sich gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach tragfähigen Lebenskonzepten machen.

 

Ein Ort der Ruhe im stressigen Alltag

 

„Kirche für Menschen in der Stadt“ ist das Motto der 2014 gegründeten Innenstadtpfarrei. Vier Pfarreien wurden damals zusammengelegt (Fuldaer Dom, Heilig-Geist, St. Joseph und St. Blasius) und der Slogan wird seitdem wirklich gelebt – und das nicht nur aufgrund der optimalen Lage der Stadtpfarrkirche im Herzen Fuldas. Jeden Mittwoch und Freitag wird beispielsweise ein Mittagsgottesdienst, die Citymesse, angeboten. Um 11.30 Uhr versammelt sich dann eine buntgemischte Gruppe in der Kirche. Ob spontan oder geplant, ob diejenigen, die shoppen waren, ob Marktgänger, Touristen oder Geschäftsleute, die gerade Mittagspause machen – die Kirche ist zur Mittagszeit stets gut besucht. Sie bietet besonders im stressigen Alltag einen Ort der Ruhe, eine Möglichkeit, sich für einen kurzen Moment zurückzuziehen, der Hektik und dem Trubel der Innenstadt zu entfliehen.

Und sie ist eine Kirche zum Mitmachen und Mitteilen: An der „Wand für Hoffnung, Klage, Bitte und Dank“ kann jeder, der möchte, seine Sorgen, seine Dankbarkeit, seine Gedanken auf einen Zettel schreiben und dies in eines der 144 Löcher ablegen. Die Zettel werden gesammelt und an bestimmten Terminen im Jahr gemeinsam mit der Gemeinde verbrannt – das Aufgeschriebene steigt so gen Himmel.

 

Einst wohnte hier der Türmer

 

So sehr die Innenstadtpfarrei auch mit der Zeit geht, so stehengeblieben scheint sie, wenn man einen der beiden Türme der Stadtpfarrkirche betritt und die knarzenden steilen Holztreppen hinaufsteigt. In dem Südturm wohnte nämlich einst der Türmer. Sein Job: Glocken läuten und Feueralarm geben, wenn es in der Stadt gebrannt hat. Da er davon aber nicht leben konnte, flickte er als Schuster nebenberuflich noch die Schuhe der Fuldaer. Verteilt auf mehreren schmalen Etagen arbeitete und lebte er gemeinsam mit seiner Frau und 13 Kindern auf engstem Raum. Bis 1954 war die Türmerwohnung tatsächlich noch bewohnt. Heute können interessierte Besucher bei einer angemeldeten Führung die Wohnung samt original Tapete, Möbelstücken sowie Fotos an den Wänden besichtigen.

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