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STADTGEFLÜSTER

Die Gambettagasse oder: „Das Aug’ will au äbbes ho!“

Heute sollen wieder die kleinen Straßen und Gassen Fuldas im Mittelpunkt stehen: Über die Herkunft des Namens Gambettagasse wissen sicherlich die wenigsten etwas.

Heute sollen wieder die kleinen Straßen und Gassen Fuldas im Mittelpunkt stehen: Über die Herkunft des Namens Gambettagasse wissen sicherlich die wenigsten etwas. Den Namen Gambetta verbindet man in der Regel mit dem französischen Staatsmann Léon Gambetta, der von 1838 bis 1882 lebte. Er war gelernter Advokat sowie radikaler Abgeordneter und proklamierte nach der Kapitulation von Sedan am 4. September 1870 die Dritte Republik in Paris und übte später großen Einfluss auf deren Politik aus. So sind auch viele Plätze und Straßen nach Monsieur Gambetta benannt.

 

Die Abkürzung zum Nachtclub

 

Die Gambettagasse in der Barockstadt erhielt ihren Namen offiziell erst im September 1991, als sie gemeinsam mit dem dort errichteten Altenzentrum nach fünfjähriger Bauzeit eingeweiht und beschildert wurde. Diese enthält aber keine Legende. Doch auch schon in früheren Zeit hieß hier ein schmales Wegstück im Volksmund „Gambettagässchen“. Sie führt als Verbindung von der Löherstraße am Heilig-Geist-Komplex (Kirche und Altenzentrum) und am BIZ der Arbeitsagentur vorbei und über eine Treppe hoch zur Rangstraße. Heute wird die kleine Straße oft von Feierwütigen als Abkürzung aus der Altstadt zum Nachtclub in der Rangstraße genutzt.

 

Das Schandmaul hinter der Gambettagasse

 

Doch was hat der Name „Gambetta“ nun mit Fulda zu tun? Tatsächlich ist hier nicht der Franzose Namensgeber, sondern eine einfache Frau aus der ehemals vorstädtischen „Löbersgaß“. Sie wohnte dort, wo einst die Zunft des Löherhandwerks beheimatet war und es stets etwas strenger roch. Die Frau soll ein stadtbekanntes Original gewesen sein, der im Alter ein bitterböses „Schandmaul“ nachgesaugt wurde. Zudem sei sie auch gerichtsnotorisch bekannt gewesen und amourösen Abenteuern wohl nicht abgeneigt. Allerdings hieß die „Gambetta“ oder „’s Gambettche“ genannte Frau eigentlich Scholl.

 

Auge um Auge

 

Der Berufsschuldirektor August Feldmann hat der Gambetta mit seinem Anekdotenbüchlein „Heiteres Fulda“ 1961 ein Denkmal gesetzt: In jungen Jahren soll das Fräulein Scholl in einen schönen jungen Mann verliebt gewesen sein. Ihre Mutter war jedoch strikt gegen die Liaison. Das Mädchen aber beharrte darauf und argumentierte: „Das Aug’ will au äbbes ho!“ Sie heiratete ihn trotzdem. Nach nur wenigen Ehetagen hatte der Gatte seine Liebste so vermöbelt, dass sie mit einem blauen Auge herumlaufen musste. Jetzt hatte „das Aug’ au äbbes“.

Doch warum nannte man die 1928 Verstorbene Gambetta? Ganz einfach: Genau wie der französische Staatsmann hatte Scholl ein Auge verloren. Schandmaul mit einem (blauen) Auge oder nicht – mit dem neuen Wissen sieht man die Straße sicherlich mit ganz anderen Augen.

 

Interessiert euch die Geschichte von Fuldas Straßen und Gassen? Dann lest doch auch mal unsere Beiträge zum Zitronemannsgäßchen oder zur Rittergasse 4. Und besucht uns bei bei Facebook und Instagram für noch mehr Eindrücke aus unserer schönen Stadt.